Die Geschichte von Thomas
Hallo Ihr da draußen...

Wie geht es Euch?
Ich hoffe gut.

Darf ich Euch heute vorstellen .. mein Freund Thomas.

Thomas ist was man einen typischen Deutschen Mann nennen könnte.

Er hat große Träume - ein langes gesundes Leben, eine glückliche Familie, eine liebevolle Frau, eine großzügige Rente und, hoffentlich, jede Menge Spaß auf dem Weg durch sein Leben.



Thomas ist immer ein grundsolider Mensch gewesen. Im Alter von 12 Jahren hat er Zeitungen ausgetragen und dabei ein extra Taschengeld verdient. In der Schule bekam er gute Noten, außer in Französisch, aber Schwamm drüber. Nach dem Abitur hat er sich an der Universität eingeschrieben und eine großartige Studentenzeit verbracht. Ein Muster-Bürger Deutschlands wie ihn sich unsere Politiker kaum besser wünschen könnten.



Thomas Lieblingsfilm ist „Forest Gump“, eine Geschichte über grundsolide Wertvorstellungen, Durchhaltevermögen und als aktiver Bürger einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Der Lohn ist im Film alles was die USA einem Menschen an Positivem zu bieten hat. Dieser Kinofilm tut wirklich moralisch unglaublich gut. Wenn Ihr diesen Film noch nicht gesehen habt, vielleicht geht Ihr in die nächste Videothek und leihen ihn euch aus...



Diese Woche ist Thomas 30 geworden. Sein Leben hat gerade erst begonnen. Es gibt soviel auf was er sich freut. Kürzlich hat er einen Job in einer aufstrebenden Firma bekommen. Mit großzügigen Sozialleistungen, wie zum Beispiel einer Cafeteria mit großem Sortiment, oder Seminare in denen der Teamgeist gestärkt werden soll und jeder eine „Mission“ und geschäftliche Zielvorgaben eingeimpft bekommt.

Alles scheint super zu laufen für Thomas.
Wie kann da jemals etwas schief gehen, bei soviel Glück?

Leider gibt es da einige Dinge am Horizont die Thomas nicht vorhergesehen hat. Dinge, die er nicht auf der Schule und der Universität gelernt hatte. Nicht einmal in seinem Lieblingsfilm Forest Gump“ kam das vor.



Wie die meisten Deutschen mag Thomas gerne gutes Essen. Drei volle Mahlzeiten pro Tag. Und gerne öfter mal in der Woche McDonalds oder Burger King, weil es ihm gut schmeckt in der Mittagspause. Diese Essgewohnheiten verbunden damit, dass Thomas den ganzen Tag im Büro vor seinem Computer sitzt, führen dazu, dass Thomas übergewichtig wird. Oder sagen wir einfach fett.

Thomas hat zwar schon mal in einer Zeitschrift gelesen, dass man 6 kleine Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen sollte, aber er hat keine Lust Kalorien zu zählen.Die Menschen um ihn herum und im Fernsehen tun es ja auch nicht.

Natürlich ist Thomas ein gut informierte Bürger und sieht täglich die Tagesschau. Deshalb ist er oft besorgt, dass ihn eine seltene Krankheit wie die Schweinegrippe treffen könnte. Oder Aids oder Influenza. Darüber macht sich Thomas viel mehr Gedanken, als über die weniger interessante Tatsache, dass er an den Folgen seines Übergewichts sterben könnte.

Wenn ich Thomas frage, wie lange er zu leben glaubt, antwortet er „Wahrscheinlich werde ich 75 oder 80 Jahre alt“. Insgeheim denkt er aber, dass er 100 oder 105 Jahre alt wird. Aber er ist zu bescheiden, um es laut auszusprechen.

Es ist ihm nicht bewusst, dass der Durchschnitts-Deutsche obwohl er ca. 80 Jahre alt wird, die letzten 20 Jahre aufgrund des schlechten körperlichen Zustands keine besondere Lebensqualität mehr hat. Er ignoriert, dass wenn er nicht ins Fitnessstudio geht, Ausdauer trainiert und sich gesund ernährt, sein Körper mit 60 nicht mehr in der Lage sein wird bis zum Ende der kurzen Straße zu laufen, in der er wohnt.

Darüber hinaus ist Thomas Girokonto immer im Soll, an der Grenze des Dispositionsrahmen, den ihm die Bank eingeräumt hat. Und dafür bezahlt er der Bank viele Zinsen.



Komischerweise als er das Konto eröffnet hat und seine EC-Karte und Kreditkarte von der Bank überreicht wurde, fühlte er sich cool und privilegiert.

Was er nicht verstanden hat und wovon die Banken leben, ist, dass die Mehrheit der Menschen die „mit Karte“ bezahlen und einen Dispositionskredit von der Bank eingeräumt bekommen, dazu neigen, unpersönliche virtuelle Zahlen auf ihrem Konto gegen Waren die man anfassen kann einzutauschen. Bis hin zum Kaufrausch für völlig überflüssige Dinge.

So ist Thomas Konto also immer bis zum Rand im Minus und er zahlt haufenweise Soll-Zinsen.

Thomas vergisst, dass er in der am meisten konsumorientierten Gesellschaft alle Zeiten lebt. Eine Gesellschaft, die so gestaltet ist, dass das Geld in der Hand zerrinnt wie Sand zwischen den Fingern.

Manchmal fragt sich Thomas am Monatsende, wo all das Geld auf seinem Konto hingekommen ist.
„Hm, wo ist mein Geld hingekommen? Ach weißt du … alles Mögliche“

„Eines Tages“, sagt sich Thomas immer wieder,“werde ich mein eigenes Geschäft gründen und das ganz große Geld machen!“



Er weiß, dass er ein sehr kreativer Kerl ist, weil alle seine Freunde ihm sagen, was er für eine tolle Facebook-Seite hat.

Unglücklicherweise verbringt Thomas den größten Teil seiner Freizeit damit Männermagazine wie „Maxim“ zu lesen, seine Facebook-Freunde zu kommentieren und sich die aktuellsten Pop- Songs der Top 100 auf iTunes herunterzuladen. Um wirkliche Literatur zu lesen, dazu fühlt sich Thomas nach seinem Arbeitstag zu ausgebrannt.



Was Thomas nicht erkennt ist, dass er zwar als intelligenter Junge geboren wurde, aber das Intelligenz und Konzentration wie Muskeln sind, die regelmäßig herausgefordert und benutzt werden müssen

Die Tatsache, dass er an der Universität „mit Auszeichnung“ bestanden hatte, ist nun vergleichbar mit einem übergewichtigen Typen, der jedem erzählt wie fit und sportlich er früher mal war.

Nun gut …

Schließlich geht es ja im Leben nicht nur um Geld und der Sinn des Lebens ist auch nicht notwendigerweise lange Zeit zu leben.

Im Leben geht es um Qualität. Ein erfülltes und glückliches Leben zu haben.

Thomas weiß, dass egal was passiert, er hat etwas was alle anderen Männer nie haben werden. Thomas hat die große Liebe gefunden .. seine Ehefrau Andrea.

Er hatte sie während seiner Zeit auf der Universität auf einer Studentenparty kennen gelernt. Sie hatten gemeinsam Freunde und nachdem Andrea versehentlich sein Glas an der Bar verschüttet hat, sagt Thomas „Ist doch nicht so schlimm“ und half ihr beim Aufwischen. Später an diesem Abend hat es dann richtig gefunkt zwischen den beiden und von nun an waren sie ein Paar.

Das Leben läuft gut für Thomas und Andrea. In den vergangenen Jahren haben sie sich ein Haus gekauft und wundervolle Kinder in die Welt gesetzt.

Thomas macht viele Überstunden, damit Andrea alles hat, was sie braucht. Die beiden haben immer noch einmal die Woche Sex und zwar am Sonntag nach dem Tatort im Fernsehen. Und obwohl der Sex nicht mehr so ausdauernd und wild ist, wie in vergangenen Tagen, so lieben sich die beiden immer noch sehr.



Was Thomas aber nicht weiß, dass während sein vom Bluthochdruck und Übergewicht verkalktes Herz mühevoll schlägt um ihn innerhalb von 4 Minuten zum Orgasmus zu kommen, in dieser Zeit liegt Andrea auf dem Rücken und denkt dabei an den charmanten, gut aussehenden Matthew Fox aus der Serie „Lost“. Natürlich liebt Andrea ihren Thomas. Aber Andrea ist eine Frau und hat Bedürfnisse, die befriedigt sein wollen. Und Thomas … ist eben … nur Thomas.

Wie auch immer, während Thomas übers Wochenende mal wieder auf einer Fortbildung mit reichlich Essen und reichlich geschäftlichen Zielvorgaben ist, überlegt Andrea, ob sie nicht den netten italienischen Kellner anrufen soll. Dort war sie mit Thomas vor einigen Wochen beim Essen und direkt vor Thomas Nase hat der Kellner seine Telefonnummer auf die Rückseite der Rechnung geschrieben, dabei hat er was von ähnlichen Interessen bei der Gartengestaltung gemurmelt.



Das kam Thomas schon merkwürdig vor, weil Gartengestaltung so gar nicht zu diesem italienischen Kellner passt. Aber er schient gute Absichten zu haben und Andrea würde ihn bestimmt mit einigen neuen Pflanzen überraschen wenn er von seinem Fortbildungswochenende zurückkommt.

Während Thomas auf Fortbildung ist, ruft also Andrea den italienischen Kellner an und dieser lädt sie zu sich nach Hause ein. Widerstrebend und nur mit viel Humopr auf Seiten des Kellners entscheidet Andrea, dass es keine große Sache mal bei ihm vorbeizuschauen. So fährt sie zu ihm und die beiden lachen und trinken ein wenig Prosecco. Sie albern ein wenig rum und so findet sich Andrea bald auf dem Rücken liegend (und verschiedenen anderen Positionen, die sie noch nicht kannte) wieder und wird von ihrem italienischen Kellner kräftig durchgevögelt.

Irgendwie ist es eben …. einfach passiert...

Dadurch fühlt sich Andrea unglaublich schuldig und sie ist sehr reserviert und unnahbar als Thomas wieder zurückkommt. Thomas ist gereizt, weil seine wöchentliche Nummer (nach dem Tatort) nicht mehr stattfindet. Dadurch sehnt sich Andrea nur noch mehr nach Aufmerksamkeit von ihrem italienischen Kellner. Und sie lässt sich immer wieder von ihm durchvögeln. So wie Thomas sie schon seit Jahren nicht mehr rangenommen hat.



Schließlich hält Andrea die Lügerei nicht mehr aus und lässt sich von Thomas scheiden. Dabei behält sie die beiden Kinder, den Hund (hab ich schon erwähnt, dass sie einen Hund haben?) und auf Lebenszeit die Hälfte von Thomas Gehalt.

Hoppla! Dumm gelaufen!

Thomas kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass irgendetwas, von dem was passiert ist, sein Fehler gewesen sein könnte.. Er hat doch immer alles für seine Andrea getan, alles was ein anständiger Ehemann tun kann. Er hasst sie jetzt und im Gerichtssaal nennt er sie „eine betrügende Nutte“.

Spulen wir die Zeit nach vorne. Zwei Jahrzehnte später, jetzt ist Thomas 50 Jahre alt, geschieden, bankrott, fett, in schlechtem gesundheitlichen Zustand und er lebt nur noch für seine Arbeit. Er ist ein Workaholic.

Ja wirklich Thomas hat kein großes Stück vom Kuchen des modernen Deutschland abbekommen, obwohl er doch immer ein Muster-Bürger und ein netter und ehrlicher Kerl war.

Naja wenigstens kann er sich jetzt öfter „Forest Gump“ anschauen, um im Film die heile Welt zu sehen und sich dabei selbst zu bemitleiden.